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Kapitalerhaltende Optionsstrategien, risikoarme Strategien

Was macht den Handel mit Optionen so faszinierend? Die Antwort ist überraschend einfach: Er bietet unbegrenzte Möglichkeiten. Ohne nun tief in die theoretischen Grundlagen einzutauchen, möchte ich Ihnen die Konzepte der kapitalerhaltenden Strategien etwas verständlicher machen. Dies erfordert mehr Überlegung als ein Stillhaltergeschäft, wo lediglich eine Option verkauft wird mit dem Ziel, die Optionsprämie im Idealfall als Gewinn zu erzielen. Sollte der Idealfall nicht eintreten, können ohne Absicherung erhebliche Kosten für den Kauf oder die Lieferung des Basiswertes anfallen, die schmerzhaft hoch sein können. Unser Fokus in dieser Diskussion soll auf Strategien liegen, die darauf abzielen, das eingesetzte Kapital nominal zu erhalten. 

Zinsstrategien mit Optionen

Dem Optionshändler stehen hier im Wesentlichen zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Strategien, die sich auf Zinsen, Dividenden oder eine Kombination aus beiden stützen. Es ist allgemein bekannt, dass der risikofreie Zins eine Rolle bei der Berechnung von Optionspreisen spielt. Ohne uns in komplizierte mathematische Details zu vertiefen, lassen Sie uns ein einfaches Gedankenexperiment durchführen. 

Was passiert, wenn wir eine Put-Option mit einer Laufzeit von einem Jahr verkaufen? Wir erhalten eine Prämie und verpflichten uns, den Basiswert zum Strike-Preis zu kaufen. Das Geld, das wir möglicherweise in einem Jahr für den Kauf benötigen, können wir bis dahin als Tagesgeld verzinst anlegen. Genaugenommen gilt dies nur für europäische Optionen, bei denen die Prämie auch unter dem inneren Wert liegen kann. Bei amerikanischen Optionen fällt die Prämie nie unter den inneren Wert, da diese jederzeit ausgeübt werden können. Dies kann als Begründung für die Diskontierung der Prämie dienen, also die Zinsen vereinnahmen wir außerhalb am Markt.

Umgekehrt trifft dies beim Verkauf einer Call-Option zu. Ich erhalte eine Prämie und verpflichte mich, den Basiswert bei Ausübung zu liefern. Deshalb muss ich den entsprechenden Basiswert bereits besitzen. Dies rechtfertigt die Aufzinsung der Call-Prämie, da hier der Basiswert während der Laufzeit in meinem Besitz ist und ich keine Möglichkeit habe, den Preis des Basiswertes als freies Geld am Markt anzulegen. Nachdem wir nun verstanden haben, dass die Call-Prämie aufgezinst wird, ergibt sich die nächste logische Vorgehensweise für die Strategie:

Wir verkaufen genau diese (verhältnismäßig teure) Call-Prämie. Im Gegenzug dazu erwerben wir die (vergleichsweise günstige) Put-Option.

Das Ergebnis dieser Aktion ist nun eine synthetische Short-Position.

Put gekauft
Call verkauft
Basiswert synthetisch short und Basiswert long
Risikoloser Gewinn der Zinsstrategie (rot)

Wie verhält es sich mit der Verzinsung einer Aktie? Erhalten wir als Aktionäre irgendeine Verzinsung? Die Antwort ist: “Nein”. Daher setzen wir auf eine Long-Position in der Aktie, um die durch die Optionen entstandene synthetische Short-Position hinsichtlich ihres Verhaltens bei Kursschwankungen zu neutralisieren. Die folgende Grafik bildet den Zinsanteil unseres Basiswertes ab, der aus den Optionen extrahiert werden kann. Bei dieser Strategie besteht in den möglichen Marktbewegungen kein Risiko.

Was geschieht am Verfallstag? Falls der Kurs oberhalb des gemeinsamen Ausübungspreises (Strike) der Optionen liegt, wird die Call-Option ausgeübt, und Sie müssen Ihren Aktienbestand liefern. Dies entspricht den Erwartungen, da Sie Stillhalter der Position sind, und der Optionskäufer hat sich durch Zahlung einer Prämie das Recht zum Ausüben erworben. Angenommen, der Aktienpreis beträgt zum Verfall 260 $, dann wird der Käufer sein Ausübungsrecht zu 210 $ wahrnehmen und Ihren Aktienbestand übernehmen. Da Sie vollständig abgesichert (gehedgt) waren, ist Ihnen die Ausübung gleichgültig. Bitte beachten Sie die dritte Grafik. Mit jedem Dollar Kursanstieg verliert der synthetische Basiswert-Short (schwarze Linie) einen Dollar, während der Basiswert-Long (gelbe Linie) einen Dollar gewinnt. Das Ergebnis ist stets Null. Der Put verfällt als Option, hierfür haben Sie nur die Prämie entrichtet. In der Summe wird auf Ihrem Konto ein Geldbetrag gutgeschrieben.

Liegt der Kurs unterhalb des gemeinsamen Strikes, wird Ihr Broker – sofern Sie dies so eingestellt haben (die automatische Ausübung ist vom Broker abhängig) – die Put-Option ausüben und den Basiswert verkaufen. Die Call-Option verfällt unausgeübt. Auch in diesem Fall ist keine Handlung Ihrerseits am Laufzeitende erforderlich.

Kapitalerhaltende Strategien – Zielsetzung

Das Hauptziel dieser Strategien ist der dauerhafte Kapitalerhalt, welcher Priorität vor dem Gewinn hat. Der Einsatz dieser Strategien soll zu keinen oder nur minimalen Veränderungen des Kapitaleinsatzes im negativen Sinne führen. Während der Laufzeit sicher anfallende Gewinne, wie Zinsen oder Dividenden, können eingesetzt werden. Beachten Sie in den folgenden Darstellungen die gelbe Linie, diese stellt die Profit Loss Situation des Aktionärs dar. Die schwarzen Linien die Optionsstrategie bei Verfall. Den Basiswertkurs, als hier den Aktienkurs können Sie an der X-Achse ablesen, in Beispiel 6 bedeutet ein Aktienkurs von 150 einen Verlust von rund 3000 EUR für die Gewinnline der Aktie in gelb abzulesen am Schnittpunkt auf der Y-Achse. Der Verlust der Optionsstrategie soll typischer weise nahe Null sein, so dass die schwarze Line mit Ausnahme eventueller Gewinnbereiche sich immer in der Nähe der Nulllinie befindet.

Die Dividende als Finanzierungsmittel

Ebenso wie der Zinsgewinn kann auch die Zahlung der Dividende zur Unterstützung der kapitalerhaltenden Maßnahmen herangezogen werden. Die Dividenden Termine stehen bereits vorher fest und je nach Unternehmensphilosophie sind auch die Zahlbeträge bekannt.

Aktienstrategien mit Zins und Dividende – die Markterwartung

Auf Grundlage dieser Zinsstrategie können weitere Strategieanpassungen durchgeführt und Anpassungen an die Markterwartung vorgenommen werden. Dabei werden die Strikes der Optionen unter Berücksichtigung der erwarteten Marktrichtung, des Zeitrahmens und in Kombination mit der Höhe der Prämien variiert. Betrachten Sie einmal sie gelbe Linie, welche dem Besitz von 100 Basiswerten, hier sind es 100 Adidas Aktien, darstellt. Die zugehörigen Optionen sind im Regelfall auch auf 100 Basiswerte bezogen. Nehmen wir mal an, Sie sind der Aktionär bei Adidas und interpretieren diese Grafiken einmal aus der Sicht des Aktionärs.

Steigende Markterwartung

Aktuell (03.08.23) steht der Kurs bei 178,63 EUR. Folgen wir der gelben Linie kursfallend und betrachten in Beispiel 6 den Rückgang des Kurses um 10 EUR. Das Aktienpaket verliert 1.000 EUR an Wert. Die Optionsstrategie verhält sich ein wenig anders. Beginnend an der blauen Startline beginnt sich der Wert der Optionen zu verändern und wird im Laufe der Zeit die schwarze Verfallkurve erreichen. Die hier abgebildete rote Linie ist der Wert der Optionskombination nach etwa der halben Laufzeit. Wenn Sie hier die Strategie auflösen und der Adidas Kurs bei 170 EUR steht, können Sie einen Gewinn von rund 250 EUR realisieren. Warten Sie bis zum Verfallstag, werden Sie zumindest keinen Verlust aus dem Kursrückgang haben, das gilt bis zum Kurs Null im Beispiel.

Steigt der Kurs der Adidas Aktie um 10 EUR sehen Sie zum Verfallszeitpunkt sind Optionsstrategie und Aktienpaket gewinngleich. Steigt der Kurs um weitere 10 EUR Aktie, sind Aktienpaket und Optionsstrategie am Verfall wieder gewinngleich.

Bei einer erwarteten Aufwärtsbewegung des Marktes wird der Gewinnbereich der Strategie so angepasst, dass er sich in Richtung der steigenden Kurse verschiebt.

Beispiel 6
Beispiel 7
Beispiel 8

Fallende Markterwartung

Bei einer erwarteten Abwärtsbewegung des Marktes wird der Gewinnbereich der Strategie in Richtung niedrigerer Kurse verschoben. Die gelbe Linie symbolisiert dabei den Verlauf des Underlyings, wie beispielsweise einer Aktie.

Beispiel 1
Beispiel 2
Beispiel 3

Neutrale Markterwartung (Bewegung seitwärts)

Wenn eine neutrale bis leicht seitwärts gerichtete Bewegung des Marktes erwartet wird, sollte die Kursbewegung bis zum Laufzeitende innerhalb dieser Preisspanne verbleiben.

Beispiel 4
Beispiel 5

Kapitalerhalt im Praxiseinsatz

Beispiel Adidas Aktienstrategie

Die Betrachtung des Charts der Adidas-Aktie im letzten Jahr lässt auf ein emotionales Jahr schließen. Nehmen wir einmal an, Sie sind Anfang August 2022 Aktionär bei Adidas geworden. Ein Jahr später steht die Aktie kurz über dem Einstiegspunkt, und eine Dividende sollte ebenfalls bei Ihnen eingegangen sein. Der November brachte einen spürbaren Einschnitt im Depotwert, doch die Erholung hat diesen Rückschlag inzwischen wieder wettgemacht. Sofern Sie noch einige Euro übrig hatten, haben Sie vielleicht bei einem Kurs um die 100 Euro sogar noch etwas nachgekauft.

Adidas Aktie Kurs der letzten 360 Tage, Grafik von Google

Die Umsetzung der Optionsstrategie mit Kapitalsicherung Anfang August 2022

Die Umsetzung der Optionsstrategie unter Einsatz der Dividende bietet bei fallenden Kursen lediglich einen minimalen Verlust von 165 Euro bis zum Verfall. Bei steigenden Kursen für rund 20 Punkte zeigt sie zudem die identische Performance des Aktienpakets.

Optionstrategie mit Kapitalerhalt 03.08.22

Die Laufzeit der Strategie ist bis zum 16.06.23 festgelegt. Die vorhandenen Strikes, Dividenden und Laufzeiten begrenzen die Möglichkeiten der Feinjustierung je nach Basiswert ein wenig, sodass man sich bei der Erstellung der Strategie auch mit einer „fast perfekten“ Lösung zufrieden geben muss. Im Grunde besteht die Aufgabe darin, stets Prioritäten zu setzen, und wir legen hier den Schwerpunkt auf den Kapitalerhalt. Sollte der Kurs im Laufe der Zeit in Richtung 190 EUR steigen, kann man Maßnahmen zur Sicherung des Gewinns ergreifen, wobei dieser Schritt im Kontext der Zeit betrachtet werden muss. In diesem Zusammenhang möchten wir die Entwicklung der Optionsstrategie erläutern und über mögliche weitere Maßnahmen nachdenken.

Verfall der Strategie am 16.06.23

Lassen wir die Strategie verfallen, erhalten wir einen kleinen Gewinn, der nahezu der Höhe der einbezogenen Dividende entspricht. Die Aktie stand am 03.08.22 bei 171 EUR und steht am 16.06.23 bei 174,82 EUR, was aus der Sicht eines Aktionärs einen Gewinn von rund 380 Euro plus der Dividende bedeutet hätte.

Wozu der ganze Aufwand für den Kapitalerhalt, wenn sowohl der Aktienbesitz als auch die gezeigte Optionsstrategie mehr oder weniger zum selben Ergebnis führen? Betrachten wir die nächste Grafik, um dies näher zu untersuchen.

Strategiestand am 21.10.22

Am 21. Oktober 2022 ist der Kurs der Aktie auf 103 Euro gefallen. Da ich eine Folgestrategie vorstellen möchte, muss ich einen Tag festlegen, an dem ich die bisherige Strategie schließe und die nachfolgende Strategie eröffne. Der Kurs der Adidas-Aktie ist später noch weiter gefallen, aber hier geht es um das Verständnis der Strategieanwendung, nicht um den optimalen Zeitpunkt oder einen Unterschied von 20 EUR im Kurswert. Aus Sicht des Inhabers des Aktienpakets ist der Kursstand suboptimal: 171 EUR – 104 EUR = 67 EUR, multipliziert mit 100 Aktien, ergibt den zu realisierenden Verlust von 6.700 EUR. Dank unseres Kapitalschutzes ist jedoch nur ein Miniverlust in Höhe von 515 EUR angefallen. Wir realisieren und haben somit 17.100 EUR – 515 EUR und abzüglich einiger Gebühren 16.500 EUR in bar.

Da wir bisher einen beachtlichen Kursverlust verzeichnet haben, richte ich meine Strategie nun auf deutlich steigende Kurse aus. Ich skaliere die Position nicht, sondern behalte die 100 Aktien bei. Die neue Position gestaltet sich nun wie folgt:

Neue Position Adidas am 21.10.22

Hier investieren wir insgesamt 12.430 EUR für alle Positionen. Dadurch verbleibt ein Cash-Bestand von 4.070 EUR. Dies entspricht dem Übertrag des Gewinns aus der letzten Strategie. Aus Gründen der Vergleichbarkeit wird der Cash-Bestand als Vortrag hinzugefügt. Daraus ergibt sich folgendes Gesamtprofil der Strategien:

Strategie 21.10.22 mit Vortrag

Am letzten Tag der aktuellen Datenreihe, dem 08.08.23, steht der Kurs bei 181,26 EUR, was einem Gesamtgewinn der Strategien von 13.000 EUR entspricht. Zum Vergleich: Am Verfallstag der Ursprungsstrategie, dem 16.06.23, lag der Kurs bei 174,82 EUR und der Gewinn betrug 11.880 EUR. Auch hier haben wir unser primäres Ziel, den Kapitalerhalt, stets im Fokus behalten und waren zu keinem Zeitpunkt, weder bei fallenden noch bei steigenden Kursen, unkalkulierbaren Risiken ausgesetzt.

Wie bereits oben beschrieben, ist das Schließen der ersten Strategie und die Eröffung der zweiten Strategie, innerhalb einer recht großen Spanne möglich. Im Beispiel habe ich noch zum Verfallsline noch ein Polster von 2.900 EUR für den Kapitalerhalt. Was hätte ich also pro Aktie ungefähr mehr investieren können, ohne einen Verlust zu riskieren?

Sofern Sie eine Rendite ähnlich ihres Basiswertes haben möchten, versuchen Sie doch mal eine Strategie mit Kapitalschutz, ähnlich der letzten beiden Grafiken, zu erstellen.